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Erstmals seit Mitte vergangenen Jahres ist die Zahl der Bewohner im Grenzdurchgangslager Friedland auf unter 1000 gesunken. Die HNA sprach mit Leiter Heinrich Hörnschemeyer über die Arbeit in der Einrichtung.

Haben Ihre Mitarbeiter seit Monaten an der Belastungsgrenze gearbeitet? 

Heinrich Hörnschemeyer: Ja, mehr als ein halbes Jahr waren alle am Limit und darüber. Die Vielzahl der Flüchtlinge konnte nur mit tausenden Überstunden betreut werden. In der Spitze hatten wir etwa 3500 Flüchtlinge und Spätaussiedler auf dem Gelände. Das ist jetzt glücklicherweise vorbei.

Was tun Sie, um die Mitarbeiter zu entlasten? 

Hörnschemeyer: Die Zahl der Flüchtlinge zu senken, hat schon ganz viel bewirkt. Außerdem gab es Entlastung durch 50 zusätzliche Mitarbeiter.

Welche Eigenschaften muss ein idealer Mitarbeiter fürs Lager Friedland mitbringen? 

Hörnschemeyer: Er muss kundenfreundlich sein und begreifen, dass Flüchtlinge freundlich behandelt werden müssen. Das ist das Wichtigste. Ein Mitarbeiter fürs Lager Friedland muss besonders belastbar sein und auch in Stresssituationen mit vielen Flüchtlingen gleichzeitig den Überblick behalten. Wir hatten auch schon Mitarbeiter, die kurz davor waren, das Handtuch zu werfen.

Welches Erlebnis war im vergangenen Herbst besonders einschneidend? 

Hörnschemeyer: Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn man sich an zig schlafenden Personen auf dem Flur den Weg bahnen muss, um ins eigene Büro zu kommen. Jeder freie Fleck war buchstäblich besetzt. Ich habe auch mehr vom Schicksal der einzelnen Flüchtlinge mitbekommen.

Im vergangenen Jahr gab es immer wieder Auseinandersetzungen im Lager. Was waren die Ursachen? 

Hörnschemeyer: Ursache war eindeutig die Überbelegung in der Einrichtung und das damit verbundene ständige Warten – bis zu zwei Stunden bei jeder Mahlzeit oder einen ganzen Tag für einen Termin in der Kleiderkammer. Das zerrte an den Nerven. Und durch die Matratzen-Unterbringung auf dem Flur gab es keine Privatsphäre mehr. Schon bei Belanglosigkeiten eskalierte die Situation. Durch die Verringerung der Belegung haben sich diese Probleme erledigt.

Haben Sie sich einmal mit Flüchtlingen über ihr ganz persönliches Schicksal unterhalten? 

Hörnschemeyer: Ich habe Bilder auf Handys von Opfern des Bürgerkriegs in Syrien gesehen. Frauen und Kinder waren blutüberströmt. Der Mann, der mir die Bilder zeigte, hatte Tränen in den Augen und war froh und dankbar, dass seine Familie und er in Deutschland aufgenommen wurden. Das Lager Friedland konnte wegen der drangvollen Enge nicht den gewohnten Standard bieten. Aber hier ist alles friedlich. Und das zählt.

Wäre es wichtig, dass viele Deutsche einmal ein Lager wie Friedland besuchen? 

Hörnschemeyer: Ja, ein Besuch in einer Einrichtung wie Friedland würde vielen Deutschen gut tun. Viele würden dann mitkriegen, welche Schicksale die Flüchtlinge haben. Allein schon ein Lächeln hilft den Flüchtlingen. Wer hier in Friedland ankommt, der kommt nicht zum Spaß. Wir behandeln hier alle gleich gut. Jeder ist hier willkommen, unabhängig vom Asylverfahren.

Haben Sie Angst vor Übergriffen auf das Lager Friedland? 

Hörnschemeyer: Man kann nie ausschließen, dass etwas passiert. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Ich habe keine große Angst, weil das Umfeld hier in Friedland stimmt. Nicht zu Unrecht ist die Gemeinde Friedland für ihre Weltoffenheit mit dem Integrationspreis des Landes ausgezeichnet worden.

Was wünschen Sie sich von der Landes- und Bundesregierung? 

Hörnschemeyer: Wir müssen dazu kommen, alle Flüchtlinge gemeinsam und zeitnah nach Ankunft zu registrieren – einschließlich erkennungsdienstlicher Behandlungen, damit keine doppelten Asylanträge gestellt werden können. Die Landesaufnahmebehörde tut dies bereits. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist noch nicht ganz so weit. Die schnelle Registrierung wäre ein großer Schritt nach vorn und würde viele Probleme lösen. Wir hätten endlich einen besseren Überblick.

Was muss dazu im Lager Friedland passieren? 

Hörnschemeyer: Wir wollen ein solches Konzept in den nächsten Monaten in Friedland umsetzen. Dazu müssen Räume im Haus des Bundesamtes für Migration umgestaltet werden. Ziel ist es, dass die Flüchtlinge einen Tag nach Ankunft erfasst werden – einschließlich Foto und Fingerabdrücke. Dazu sollen Mitarbeiter des Landes, des Bundes und Dolmetscher zusammenarbeiten. An dieses System sollten idealerweise auch die Kommunen, die sich später um die Flüchtlinge kümmern, angeschlossen werden.

Wird die aktuelle Flüchtlingswelle beim zukünftigen Museum in Friedland eine Rolle spielen? 

Hörnschemeyer: Natürlich. Insbesondere bei der Eröffnung am 18. März soll dieses Thema angesprochen werden. Die Flüchtlinge gehören zur 70-jährigen Geschichte des Lagers Friedland wie die Soldaten, die in den 1950er-Jahren aus Russland zurückkehrten.

Zur Person

Heinrich Hörnschemeyer (59) ist seit fast 25 Jahren Chef des Grenzdurchgangslagers Friedland. Der Diplom-Verwaltungswirt war zuvor im Landesdienst, bei der Stadt Osnabrück sowie im Lager Bramsche tätig. In seiner Freizeit spielte er gern Fußball. Jetzt steht er öfter auf dem Tennisplatz. Hörnschemeyer ist verheiratet und wohnt mit seiner Frau in der Gemeinde Gleichen. (bsc)

Grenzdurchgangslager in Zahlen: Ein Dorf mitten in der Ortschaft

Das Grenzdurchgangslager liegt mitten in der Ortschaft Friedland und ist praktisch so groß wie ein kleines Dorf. Ein Überblick über die Einrichtung im Zahlen:

Mahlzeiten täglich werden im Lager Friedland angeboten. Frühstück gibt es 7 bis 8.30 Uhr, Mittagessen von 11.30 bis 13 Uhr und Abendessen 16.30 bis 18 Uhr.

3 bis zwölf Wochen bleiben Asylbewerber in der Einrichtung. Dann werden sie an die Städte und Gemeinden verteilt.

4,1 Millionen Menschen wurden in der über 70-jährigen Geschichte des Lagers Friedland aufgenommen.

6,5 Hektar ist das Gelände des Lagers Friedland groß. Das entspricht der Fläche von fast neun Fußballfeldern.

14 Gebäude, fast alles Baracken, stehen für die Unterkunft der Gäste auf dem Gelände zur Verfügung. Hinzu kommen neun Funktionsgebäude, zum Beispiel Feuerwache, Sanitätsstation, Unterrichtsräume und ein zentraler Speisesaal.

20 Wohncontainer sind zurzeit auf dem Gelände aufgestellt, um eventuelle Belegungsspitzen abzufangen. Außerdem stehen der Einrichtung zwei winterfeste Zelte zur Verfügung, die derzeit nicht belegt sind.

100 fest angestellte Mitarbeiter kümmern sich um das Wohl der Gäste. Hinzu kommen derzeit 40 Beschäftigte von Zeitarbeitsfirmen.

700 Betten hat die Einrichtung. Bei Bedarf kann aufgestockt werden.

Hintergrund: Museum wird im März eröffnet

Das Museum, das die Geschichte des Grenzdurchgangslagers Friedland beleuchtet, wird am Freitag, 18. März, mit einem Festakt offiziell eröffnet.

Einer breiten Öffentlichkeit wird das neue Angebot am Samstag und Sonntag, 19. und 20. März, bei einem zweitägigen Bürgerfest vorgestellt. Beginn ist an beiden Tagen um 11 Uhr.

Zentraler Ort des Museums ist der Bahnhof Friedland. Dort entsteht gerade eine Dauerausstellung zur Geschichte des Lagers Friedland.

Lebenswege und Erinnerungen bilden einen Schwerpunkt der Schau. Die Besucher können dabei auf eine Zeitreise durch sieben Jahrzehnte des Bestehens des Grenzdurchgangslagers gehen.

Im Zeitzeugenportal im Internet sollen nach und nach immer mehr Menschen zu Wort kommen, die ihre Erinnerungen an das Grenzdurchgangslager Friedland mit Interessierten teilen möchten. Teil des Angebots des Museums Friedland ist außerdem ein Entdeckerpfad, der Interessierte auf das Lagergelände und dort beispielsweise zur Friedlandglocke führt. Weitere Infos gibt es im Internet.

Link zum Museum Friedland

Quelle: HNA-Artikel vom 23.02.2016 Link zum HNA-Artikel vom 23.02.2016