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Inzwischen zeigen viele Beispiele, wie Flüchtlinge, teils in sehr kurzer Zeit, ihren Weg in den Arbeitsmarkt finden und sich eine neue Perspektive aufbauen. Der Erfolg hängt natürlich auch von den Rahmenbedingungen wie Sprachkursen ab, aber was vor allem zählt: der Wille, etwas zu schaffen.

Göttingen . Der Einstieg ins deutsche Berufsleben fällt Flüchtlingen oft nicht leicht. Beim Pharma-Zulieferer Sartorius arbeiten trotzdem einige, mitunter in gehobenen Positionen. Um dort hin zu kommen, mussten sie sich teilweise durchbeißen – und hatten Hilfe von den richtigen Stellen.

Hochqualifizierte Flüchtlinge wie Rayan Mattamir können in Deutschland durchaus einen Traumstart hinlegen: Nach einem Jahr in Deutschland ist sie Produktmanagerin bei Sartorius – im Hosenanzug und mit gestresstem Blick kündigt sie sofort an, nur wenig Zeit für das Gespräch zu haben.

Für die studierte Pharmazeutin aus Syrien keine ungewohnte Situation: Zwölf Jahre lang hat sie in den Golfstaaten für internationale Unternehmen gearbeitet, am Ende bekam sie als Bürgerin aus einem Bürgerkriegsland dort keine Arbeitserlaubnis mehr, weshalb sie nach Deutschland floh.

Große Probleme hatte sie in Deutschland nicht: Die Bürokratie sei zwar anstrengend, „aber das weiß doch jeder“, zumal dies nicht nur für Flüchtlinge gelte. Lediglich, dass sie ihre Töchter lange nicht zu sich holen konnte, bedeutete für die Mitt-Dreißigerin eine Dreifachbelastung: Einen Job hier zu finden, Deutsch zu lernen und ständig an die Kinder im umkämpften Damaskus zu denken, sei „sehr stressig“ gewesen.

Anders war es bei Yaser Zourob, der gerade ein Praktikum in der IT-Abteilung von Sartorius absolviert. Der Palästinenser hat zwar einen Abschluss als Informatiker, als Flüchtling aus Gaza wird er aber in Deutschland nur geduldet. Bis zu den jüngsten Reformen des Bleiberechts durfte er deshalb nicht arbeiten, außerdem bekam er keine Deutschkurse.

Er musste sich selbst helfen: „Mit Büchern habe ich Deutsch gelernt“, erzählt er. Mittlerweile nimmt er an Sprachkursen für Fortgeschrittene teil, die Sartorius für ausländische Mitarbeiter anbietet.

Von denen profitiert auch der Syrer Mohammad Al-Hussein, der erst vor sechs Monaten nach Deutschland kam: Sein Studium der Ingenieurswissenschaften für Chemie wollte der 22-Jährige wegen der Sprachhürde nicht fortsetzen. Mittlerweile absolviert er eine Ausbildung als Chemikant und hat festgestellt: „Chemie ist überall Chemie, Mathematik ist überall Mathematik“.

Doch trotz aller Vorqualifikationen brauchten die drei Hilfe bei der Stellensuche: Mattamir fand dank Freunden zu Sartorius, Al-Hussein und Zourub wurden von der Beschäftigungsförderung Göttingen (BFGoe) empfohlen. Diese hilft Sartorius-Sprecherin Petra Kirchhoff zufolge dem Unternehmen, „die richtigen Personen zu identifizieren“, in Praktika werde die Eignung der Aspiranten weiter überprüft.

Die in Deutschland so wichtigen Zeugnisse sind für Kirchhoff hingegen zweitrangig: „Ob ein Zeugnis anerkannt wird, interessiert uns weniger“, sagt sie. Es gehe bei Sartorius nicht darum, wo jemand herkomme, „sondern darum, wo jemand hin will“.

Zumindest in Mattamir Fall war das allerdings ein Problem: „Ich bin es gewohnt, Erfolg zu haben“, sagt sie. Zunächst auf die Hilfe von Kollegen angewiesen zu sein, war für sie „nicht einfach“.

Der Traum von der eigenen Werkstatt

Mohamad und Mahmmoud Al Saloum sind Brüder. Sie wohnen derzeit in Hann. Münden in einer eigenen Wohnung. Derzeit arbeiten sie bei der GAB Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung Südniedersachsen mbH in Hann. Münden in einer Arbeitsgelegenheit für Flüchtlinge (AGH) mit.

Sie haben einen Traum: irgendwann eine eigene Kfz-Werkstatt zu eröffnen und den Meister in ihren Ausbildungsberufen zu machen. Denn Mohamad ist gelernter Lackierer und Mahmmoud Karosseriebauer – sie haben im Libanon rund 15 Jahre für BMW gearbeitet und sind dazu zwischen Syrien und Libanon gependelt.

„Die AGH ist uns sehr wichtig, weil wir hier viele Kontakte knüpfen und praktisch Deutsch lernen durch die Zusammenarbeit mit deutschen Arbeitskollegen. Die Arbeitszeiten sind sehr gut. Wir lernen hier die deutsche Arbeitskultur kennen. Wir wünschen uns mehr Kontakt zu deutschen Mitbürgern, vielleicht einen Paten, der uns hier und am Wochenende nach der Arbeit begleitet und uns hilft, mehr deutschsprachige Menschen kennenzulernen.“ „Wir sind schon seit elf Monaten hier in Deutschland und warten immer noch seit Monaten auf unseren zweiten Anhörungstermin. Leider dauert es sehr lange mit der Bearbeitung der Asylanträge. Unsere Frauen und unsere Kinder leben im Moment noch in Syrien und im Libanon. Wir haben zu viel Angst davor, dass wir keine Familienzusammenführung beantragen können, weil der Aufenthaltsstatus noch unklar ist. Wir vermissen unsere Frauen und unsere Kinder und wollen einfach nur in Ruhe leben.“

Von Christoph Höland

Bessere Perspektiven durch das neue Integrationsgesetz

Im August ist das neue Integrationsgesetz in Kraft getreten. Es enthält Neuerungen für Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten von Flüchtlingen sowie mehr Rechtssicherheit für Unternehmen.

  • „Es gibt eine Aufweichung beim Aufenthaltstatus“, so Joachim Grube von der IHK-Geschäftsstelle: Asylbewerber und Geduldete erhalten für die Dauer ihrer Ausbildung einen gesicherten Aufenthalt. Dabei entfällt auch die bisherige Altersgrenze für einen Ausbildungsbeginn von 21 Jahren. Geht die Ausbildung nach erfolgreichem Abschluss in ein Arbeitsverhältnis über,  wird das Aufenthaltsrecht für zwei Jahre verlängert – die sogenannte „3-2 Regel“. Das gibt Betrieben Ausbildungssicherheit.
  • Wird eine Ausbildung abgebrochen, muss der Ausbildungsbetrieb dies binnen einer Woche an die Ausländerbehörde melden. Andernfalls begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.
  • Die Ausbildungsförderung der Arbeitsagentur wird für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und Geduldete teilweise geöffnet und frühzeitiger ermöglicht.
  • Wo der Arbeitsmarkt gut läuft, wird die Vorrangprüfung außer Kraft gesetzt. Es muss nun nicht mehr überprüft werden, ob es für eine Stelle einen geeigneten Deutschen oder EU-Bürger gibt. „Damit ist ein  wichtiges bürokratisches Hemmnis weggefallen, das viel Zeit in Anspruch genommen hat“, so Grube.
  • Asylbewerber und Geduldete können in Regionen mit guter Arbeitsmarktlage nach drei Monaten Aufenthalt als Zeitarbeiter beschäftigt werden. Bislang war dies erst nach 15 Monaten möglich.
  • Anerkannte Flüchtlinge ohne Arbeits- oder Ausbildungsplatz können ihren Wohnort jedoch nicht mehr selbst wählen. Für maximal drei Jahre wird ihnen von den Bundesländern ein Wohnort zugewiesen.

„Formalrechtlich sind wir damit ein gutes Stück nach vorne gekommen“, so Grube. „Sprachlich ist es aber nach wie vor schwierig.“

Quelle: Artikel im Göttinger Tageblatt vom 26.09.2016 ( Zum Original-Artikel im GT )