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Seit elf Jahren besteht das Café Grenzenlos in Duderstadt. Den Geburtstag haben die beteiligten Frauen am Dienstag mit Tanz und Gesang gefeiert – aber auch mit ernsten Worten.

Eine „internationale Runde“ begrüßte Duderstadts Bürgermeister Wolfgang Nolte (CDU) gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt, Evelyn Stellhorn, in der Turnhalle des Jugendfreizeitheims. „Mittlerweile leben Menschen aus 80 Nationalitäten in Duderstadt“, berichtete er.

Zu ihrer Integration trügen die Teilnehmerinnen des internationalen Frauenprojekts bei. In der Spitze seien es polnischstämmige Menschen, die in Duderstadt eine neue Heimat fänden. In den vergangenen Monaten seien aber auch Flüchtlinge aus Ländern hinzugekommen, in denen Krieg und Vertreibung herrsche, „und denen wir gern die Türen geöffnet haben“.

Dennoch herrschten Sorgen und Ängste „auch in unserer Bürgerschaft“. Es sei der gemeinsame Wunsch aller, dass es der Bundesregierung gelinge, gemeinsam mit Europa gute Antworten zu finden.

Es sei ihm ein Anliegen, ein „klares Wort zu sagen gegen Menschen, die meinen, dass sie in dieser Zeit Stimmung machen könnten gegen bestimmte Bevölkerungsgruppe“. So habe es auch der Rat der Stadt in seiner Resolution gegen Rechts beschlossen. „In dieser Stadt und in dieser Region ist kein Platz für rechtsextremes und linksextremes Gedankengut“, sagte Nolte. „Lasst uns kraftvoll für die Würde der Menschen, für die Rechte der Frauen eintreten.“

Mit der speziellen Situation von Frauen während und nach der Flucht beschäftigte sich die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Göttingen, Angelika Kruse. Das Café Grenzenlos sei bei seiner Gründung seiner Zeit weit voraus gewesen, sagte sie. Es sei entstanden, als das Wort „Willkommenskultur“ noch nicht im Sprachgebrauch verankert gewesen sei.

Kruse berichtete, dass sich viel mehr weibliche Flüchtlinge auf den Weg machten als in Deutschland wahrgenommen würden. Aufgrund ihrer finanziellen Mittel und weil sie häufig mit Kindern unterwegs seien, gelangten die Frauen oftmals nicht bis nach Europa, sodass in Deutschland das Bild vorherrsche, überwiegend junge Männer seien auf der Flucht. Die Gründe, ihr Land zu verlassen, seien häufig identisch – Krieg, Verfolgung, Armut und Hunger, Naturkatastrophen oder Zukunftsängste. Sie könnten aber auch spezifisch weiblich sein, wenn es zu häuslicher Gewalt, Zwangsverheiratungen, Genitalverstümmelungen oder Zwangssterililisationen im Herkunftsland komme.

Während ihrer Flucht seien Frauen Gefahren ausgesetzt. „Sie werden zum Teil Opfer von Menschenhandel, Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution“, berichtete Kruse. Um die Schlepper zu bezahlen, verkauften einige ihren Körper. In Massenunterkünften erführen Frauen unter Umständen ebenfalls Gewalt. Dies alles führe zu Traumatisierungen.

Kruse wies darauf hin, dass das Land Niedersachsen ein Konzept zur Unterbringung und Versorgung von weiblichen Flüchtlingen vorgelegt habe, das die räumliche Trennung der Sanitäteinrichtungen oder auch separate Bereiche zum Stillen vorsehe. Zudem sollte in der Flüchtlingsarbeit auf die speziellen Bedürfnisse bei der Freizeitgestaltung und Bildung Rücksicht nehmen. Dazu gehöre ein Betreuungsangebot für Kinder, aber auch „Nicht nur Fußball, sondern Yoga oder Tanz“.

Lucia Kirscht, die sich im Rosenthaler Hof unter anderem mit Sportangeboten engagiert, bat die Teilnehmerinnen des Cafés Grenzenlos um Unterstützung in der Flüchtlingsarbeit. Sie verwies auf das Bild an der Wand, das vor einem Jahr beim Festakt im Rathaus entstanden war. Es zeigt einen Baum mit starken Wurzeln. „Die Wurzeln sind wir“, sagte Kirscht. Zum Abschluss zeigte die Gruppe, was sie unter Wir-Gefühl versteht: Gemeinsam tanzten die Frauen im Kreis zu internationaler Musik.

Quelle: Göttinger Tageblatt vom 16.02.2016 Link zum GT-Artikel vom 16.02.2016